Auszeichnungen
aus Heilige und Scheinheilige
Autor: Jan Cornelius



Seit es ihn gibt, strebt der Mensch nach Anerkennung seinesgleichen. Der weltweit anerkannte Dramatiker Jean Giraudoux macht dieses Begehren gar für den entscheidenden Moment der Evolution verantwortlich: Wir hätten uns vom Affen getrennt und angefangen aufrecht zu gehen, nicht nur um die dem Regen ausgesetzte Körperfläche soweit wie möglich zu reduzieren, sondern vor allem, um uns als homo erectus verschiedene Orden und Medaillen an die Brust hängen zu können.

Denn was gibt's Schöneres, als Lorbeeren und Applaus für seine Bemühungen zu ernten? Orden und Medaillen sind eine feine Sache, und wer sich damit eines Tages schmücken darf, der fühlt sich folgerichtig ausgezeichnet. So manches hat sich nun in seinem Leben geändert, beispielsweise wird ein stolzer Medaillenträger die Freuden des Strandbadens oder gar FKKs nie wieder so richtig genießen können.

Es gibt Menschen, die haben eine derart hohe Meinung von sich, dass sie glauben, sie seien die einzigen, die für einen Preis in Frage kämen. Und wenn es keine Jury täte, dann würden sie sich am liebsten immer wieder selbst auszeichnen. Andere hingegen sind derart bescheiden, dass sie, falls ihnen ein Preis zuteil wird, völlig überrascht aus der Wäsche gucken. So bekam mein Freund Alfred kürzlich einen Orden, mit welchem er überhaupt nicht gerechnet hatte. Als ihn der Bürgermeister höchstpersönlich anrief, um ihm mitzuteilen, er werde nun ausgezeichnet, war Alfred derart überrascht, dass ihm nicht nur der Telefonhörer, sondern sogar die Dankesrede aus der Hand fiel.

Apropos Dankesrede: Bei etlichen Preisverleihungen von Bambi bis Oscar erlebt man immer wieder ähnliche Szenen: Wenn ihnen im Bühnenglamour der Preis überreicht wird, danken die Auserwählten unter anderem den Eltern, Freunden, Assistenten, Produzenten und manchmal sogar ihren Haustieren, falls vorhanden. Dies geschieht in der Regel unter Tränen, und die, die im Saal sitzen, spenden begeistert Applaus und weinen mit, vor allem, weil sie die Auszeichnung, für die gerade gedankt wird, nicht selber bekommen haben.

Es gibt aber natürlich auch Dankesreden, die sehr knapp ausfallen. Die kürzeste Dankesrede, die es bei einer Preisverleihung je gab, ist folgende: "Ich werde dafür ausgezeichnet, dass ich den Mund gehalten habe. Also werde ich es auch weiterhin tun."

Ja, die Menschen sind bekanntlich verschieden: Der eine bekommt irgendwann einen unbedeutenden Preis, und schon wird er zu einem arroganten Schnösel. Den anderen kann man wiederum mit Orden und Medaillen überschütten, und trotzdem ändert sich an seinem Charakter rein gar nichts: Er bleibt derselbe aufgeblasene Gockel, der er war.

Manchmal wird eine hoch begehrte Auszeichnung einfach abgelehnt, weil der Nominierte nichts damit anfangen kann. Ob die Ablehnung etwas bringt, ist fraglich. Wie sagte nur ein in die Jahre gekommener von unendlichen Ehrungen verwöhnter Preisträger: Ich akzeptiere meine Auszeichnungen nicht, aber ich habe Arthrose. Und die kann ich auch nicht akzeptieren.

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